Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
3. Welche Anforderungen werden an einen tüchtigen Kaufmann gestellt? 5
Beruf mit sich führt, sind die Elemente, die der Strom gegen ihre
Erwartung nicht trügt, die stecken bleiben und die nicht vorwärts
kommen, die nach zwanzig und mehr Jahren über ihren verfehlten
Beruf jammern. Das möge jeder, der sich dem Kaufmannsstande
widmet, zuvor bedenken und, wenn es noch Zeit ist, umkehren.
Vor allen Dingen muß der Kaufmannslehrling kräftig
und gesund sein. Man hat ja vielfach die Meinung, daß der
kaufmännische Beruf körperlich wenig anstrengend sei, und aus
diesem Grunde werden ihm nicht selten schwächliche junge Leute
zugeführt, die für den Beruf eines Handwerkers angeblich nicht
kräftig genug sind. Das ist aber falsch; denn der junge Mann hat
in den Verkaufs-, Kontor- und Lagerräumen nicht nur geistig sondern
auch oft körperlich anstrengend zu arbeiten und ganz besondere
Anstrengungen muß er auf Reisen ertragen können. Ist er nun
von Haus aus nicht gesund und kräftig, so verschlimmert sich sein
Zustand bald und so kommt es, daß man unter den Kaufleuten
ausnehmend viel Lungen- und Magenkranke findet und daß sie
den größten Teil der Militärdienst-Untauglichen bilden.
Zu den Anlagen muß weiter ein gesunder geschäftlicher
Sinn gerechnet werden. Nur wer eine natürliche Begabung für
das Geschäft mitbringt, darf sich sagen, daß er zum Kaufmann
berufen ist. So selbstverständlich diese Forderung auch erscheint,
so treten doch Tausende von Männern in das Geschüftsleben ein
ohne die geringste natürliche Begabung dafür zu besitzen. Sie
hätten sich von ihrer Unfähigkeit überzeugen können ohne so viel
Lehrgeld bezahlen zu müssen. Zum Geschüftsmaun muß man ge-'
boren sein, wenigstens aber ein gewisses Geschäftstalent besitzen,
sonst darf man sich nur wenig Hoffnung auf Erfolg machen; freilich
gibt es manchmal außerordentliche Zufälle, wodurch ein Kaufmann
trotz offenkundiger Unfähigkeit im Geschüftsleben es zu etwas
bringt. Aber solche Zufälle sind sehr selten und geben keinem das
Recht Kaufmann zu werden.
Ferner gehört dazu Verstand und reiches Wissen und
kaufmännische Bildung. Die glänzende Entwicklung, die der
deutsche Handel in der letzten Zeit genommen hat, ist wesentlich
dem Umstande zuzuschreiben, daß der deutsche Kaufmann fähig
war dem Zuge der Zeit zu folgen und an Stelle der altherge-
brachten, unzulänglichen Formen des Handels neue zu schaffen,
sie klug zu verwerten und geschickt zu handhaben. Darum ist es
Aufgabe des jungen Kaufmanns sich eine gründliche Kenntnis
der gesamten Betriebsmittel des zeitgemäßen Handels zu ver-
schaffeu, da sie zur erfolgreichen und vorteilhaften Führung auch
des kleinsten Geschäftes nicht mehr entbehrt werden kann.
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Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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6 3. Welche Anforderungen werden an einen tüchtigen Kaufmann gestellt?
Diese Aneignung setzt aber Lust und Liebe zum Berufe sowie
Fleiß und eisernen Willen voraus. Daher darf sich der junge Kauf-
mann nicht mit dem begnügen, was die Schule von ihm forderte.
Es ist nicht genug, ein guter, ja der beste Schüler in der Volksschule,
in der Realschule, in der kaufmännischen Fachschule gewesen zu
sein, er muß noch viel mehr dazu lernen, wenn er einstmals eine
Stellung einnehmen will, die ihn emporhebt, die ihn zu einer wirk-
lichen Stütze des deutschen Handels, zu einem Förderer der Volks-
wohlfahrt macht.
Neben der reinen Fachbildung wird aber vom Kaufmann
auch eine möglichst umfassende Allgemeinbildung ver-
langt. In allen Wissenschaften soll er zu Hause sein, nicht daß er
jede gründlich umfassen könnte, das ist nicht möglich, aber er soll
ihre Grundlagen kennen, damit er sie würdigen kann. Dadurch
wird er geistig frei und ist später imstande ein richtiges Urteil zu
füllen, die Welt mit den Augen eines verständnisvollen Mannes an-
sehen, zwischen Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden, das Falsche
zu meiden, das Richtige zu treffen. Dadurch wird der Umgang
mit Menschen vorbereitet. Kommt doch der Kaufmann mit allen
Ständen zusammen, hat er doch mit allen Klassen der Bevölkerung
geschäftlich zu tun. Vor allem wird im gesellschaftlichen Leben der
Kaufmann meistens nach seiner Allgemeinbildung und nach seinen
Umgangsformen geschätzt im Gegensatz zu den Angehörigen vieler
andrer Berufe, wie Offiziere, Ärzte, Richter, Künstler, Jngenieureusw.,
die allein schon wegen ihres Standes allgemeine Achtung genießen.
Aber all dies Wissen und Können allein macht den Kaufmann
nicht aus. Wenn über die Kreditfähigkeit eines Kaufmanns Er-
kundigungen eingezogen werden, so ist es zwar schon wertvoll,
wenn wir erfahren, daß der Betreffende über Kenntnisse und Fähig-
keiten verfügt, wertvoller sind uns aber Angaben über seinen Cha-
rakter und seinen Ruf. Der gute Ruf ist dabei ausschlaggebend.
Die Grundpfeiler des guten Rufes sind zunächst Fleiß,
Ordnungsliebe und Pünktlichkeit.
Der Fleiß besteht nicht nur darin, daß der junge Kaufmann
die Arbeiten, die ihm übertragen werden, zur Zufriedenheit aus-
führt, er soll auch selbst aufpassen, was zu tun ist, er soll nicht erst
zu einer Arbeit gerufen werden, sondern soll, soweit er kann, selbst
unaufgefordert zugreifen und dabei lernen den Vorteil der Minute,
den der schnellen Auffassung, der schnellen Arbeit erkennen. Im
raschen Erfassen neuer Aufgaben, im steten Umschauen, wo es
etwas zu tun gibt, im schnellen Zufassen, in der Erledigung seiner
Arbeit mit klaren, frischen Augen, im freudigen Zugreifen, darin
liegt das Geheimnis des Erfolgs der Lehrjahre. Fleiß, Aufmerk-
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4. Das kaufmännische Unterrichtswesen.
7
samkeit, Lust zur Arbeit, das macht aus dem tüchtigeu Lehrling
einen tüchtigen Gehilfen und Kaufmann.
Ist dieser Fleiß, der durch Ordnungssinn und Ausdauer wesent-
lich unterstützt wird, für den Kaufmann der Weg Geld zu verdienen,
so gibt es nur einen andern, das Errungene festzuhalten: die
Sparsamkeit. Wenn einer nicht eine angeborene Neigung
zur Sparsamkeit besitzt, so bleibt er als Kaufmann stets im Nach-
teile. Wie Kapital nur durch Sparen erzeugt werden kann, so ist
die Sparsamkeit die wesentlichste Vorbedingung zum Erfolge.
Zu Fleiß und Sparsamkeit muß sich noch die E h r l i ch k e i t
gesellen. Die Versuchung zur Unehrlichkeit tritt an den Lehrling
schon vom ersten Tage ab heran. Er bekommt gewöhnlich die Füh-
rung der Portokasse und muß hier schon im kleinen seine Treue
zeigen. Die Ladenkasse, die Wege zur Post, auf der er Wertbriefe
besorgt, die Wege zur Bank, auf der er Geld abhebt, sie alle machen
ihn, den oft armen Knirps, zum Verwahrer von Summen, die
er früher sich kaum vorstellen konnte. Da ist leider schon mancher
gestrauchelt. Für den Kaufmann gilt noch immer das alte Wort:
„Ehrlich währt am längsten", dauernden Erfolg kann er nur er-
langen, wenn Ehrlichkeit und Redlichkeit das Rückgrat seiner Hand-
lungen bilden. Nach Dr. B. Penndorf.
4. Das kaufmännische Unterrichtswefen.
Die beste Vorbereitung für den kaufmännischen Beruf ist und
bleibt die richtige kaufmännische Lehre. Und doch ist
Deutschland fast das einzige Land, das den Nachwuchs des Handels-
standes in meist dreijähriger Lehrzeit planmäßig ausbildet; iu allen
andern Ländern, die Schweiz ausgenommen, kennt man eine
regelrechte praktische Unterweisung in einem auch nur annähernden
Maße wie in Deutschland nicht. Freilich fehlt es auch bei uns nicht
an Stimmen, die angesichts mancher Mißstände iin Lehrlingswesen
für Aufhebung der praktischen Lehre sind. Eine vom Verbände
Deutscher Handlungsgehilfen im Jahre 1909 nach Leipzig ein-
berufene „Lehrkonferenz", an welcher die Vertreter verschiedener
Bundesregierungen, vieler Handelskammern und zahlreicher kauf-
männischen Verbände und Unterrichtsanstalten teilnahmen, zeitigte
zwar in dieser Frage kein bestimmtes Ergebnis, die beteiligten Kreise
waren aber doch übereinstimmend für Beibehaltung der bisherigen
Art der Lehrlingsausbildung, allerdings mit wesentlichen Verbesse-
rungen, wo sie Schäden aufweist. Die persönliche Anleitung durch
den Lehrherrn, die Gewöhnung der jungen Leute an Gehorsam
und treue Pflichterfüllung hat aber auch von jeher ein gut Stück
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Leipzig
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34
14. Der dreibeinige Stuhl.
14. Der dreibeinige Stuhl.
Für jedes industrielle Unternehmen sind drei Teilhaber nötig.
Der erste, zwar [nicf)t seiner Bedeutung wohl aber der Zeit nach,
heißt Kapital. Ohne diesen Teilhaber kann nichts unternommen
werden. Vom Kapital erhält jede Unternehmung ihren ersten
Lebensodem. Wenn die Grundlagen aufgerichtet, das Unternehmen
mit den nötigen Mitteln ausgestattet und alles für industrielle
Tätigkeit fertig ist, beginnt der zweite Teilhaber seine Arbeit. Dieser
Teilhaber heißt „geschäftliche Tüchtigkei t". Der Teil-
nehmer Kapital tat das Seinige bereits. Er hat alle Mittel und
Werkzeuge für die Gütererzeugung beschafft; allein solange Kapital
nicht über Männer verfügt, welche das Geschäft zu leiten verstehen,
ist all sein Aufwand umsonst. Und nun erscheint der dritte Teil-
nehmer, zwar zuletzt, aber keineswegs der unwichtigste unter den
dreien, die Arbeit. Sobald diese nicht ihre Pflicht tut, ist alle
Mühe und aller Aufwand vergeblich. Kapital und geschäftliche
Tüchtigkeit ohne Arbeit sind gleich totgeborenen Kindern. Das
Triebwerk rührt sich nicht, wenn Arbeit es nicht bewegt.
In unserer Zeit sind Kapital, Geschäftstüchtigkeit und Hand-
arbeit die Beine eines dreibeinigen Stuhles. Solange die drei
Beine gesund und fest stehen, steht auch der Stuhl fest. Sobald
aber eines dieser drei Beine schwach und gebrechlich wird, zusammen-
stürzt oder gar verschwindet, bricht auch der Stuhl zusammen.
Und solange das fehlende Bein nicht wiederhergestellt ist, bleibt
der Stuhl ebenfalls unbrauchbar. Aus diesem Grunde befindet
sich auch der Kapitalist, welchem Kapital wichtiger dünkt als eines
der andern Beine, ganz und gar im Irrtum. Die Unterstützung
der beiden andern Beine, genannt Geschäftstüchtigkeit und Arbeit,
bleibt für ihn unumgänglich. Ohne diese beiden, ja selbst ohne
eines der beiden, füllt der Stuhl um.
Geschäftliche Tüchtigkeit irrt, wenn sie glaubt, ihr Bein sei
das wichtigste. Ohne die beiden andern, Kapital und Arbeit, ist
das Bein Geschüftstüchtigkeit nutzlos.
Zu guter Letzt wollen wir nicht vergessen, daß auch Arbeit
irrt, und zwar sehr stark, wenn sie größere Wichtigkeit für sich be-
ansprucht als jedes der beiden andern Beine. Eine solche Anschauung
ist oft genug die Quelle betrübender Mißverständnisse gewesen.
Alle drei sind voll- und gleichberechtigte Glieder desselben großen
Ganzen. Vereinzelt schaffen sie wenig, vereint aber
können sie Wunder wirken. Daher haben sie auch, trotzdem unglück-
liche Differenzen zeitweise zwischen ihnen auftauchten, das neue
Jahrhundert zum wohltätigsten für die Menschheit gemacht.
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Geschlecht (WdK): Jungen
70
40. Das Testament.
am meisten über seinen Geiz als über ein Unrecht, das er ihnen
und zugleich auch seinem Stande tue. Dieser Tadel war laut und
öffentlich; er aber, als ob er nichts bemerkte, ging seines Weges
und blieb bei der angenommenen Weise bis an seinen Tod, der
vor einigen Monaten erfolgt ist. Sobald sich die Nachricht von
diesem Ereignisse verbreitete, fanden sich einige weitläufige Ver-
wandte ein, die auf die Schätze des geizigen Vetters gerechnet
hatten, ob sie gleich selbst nichts weniger als arm waren. Der Nachlaß
an Hausgeräte ließ nicht viel erwarten; aber man wunderte sich
nicht, daß sich ein so geiziger Mann von allem losgemacht hatte,
was zur Bequemlichkeit gehörte; ja, die vermeintlichen Erben
mochten sich freuen, daß er töricht genug gewesen war für sie zu
darben. Alle waren jetzt auf seinen letzten Willen gespannt. „Wie
hoch mag sich sein Nachlaß belaufen? Was mag er darüber ver-
ordnet haben? Wer wird Universalerbe sein?" Mit diesen Fragen
beschäftigte sich das Publikum bis zur Eröffnung des Testamentes
und der Saal des Stadthauses war mit Menschen angefüllt, welche
die Neugierde herbeigezogen hatte. Auch ich war unter diesen
und vielleicht war in der ganzen zahlreichen Versammlung kein
einziger, mich mit eingeschlossen — denn man muß sein Unrecht
nicht verhehlen — der nicht die übelste Meinung von dem Ver-
storbenen mitbrachte. Wir wurden alle beschämt; aber, was das
Beste war, die Verwandten ausgenommen, war niemand, der sich
seiner Beschämung nicht recht herzlich gefreut hätte.
Das Testament fing nach der gewöhnlichen Eingangsformel
mit der Erklärung an, daß sich der Erblasser sein ganzes Leben
hindurch bemüht habe nach seinen Kräften die Pflichten eines
guten Christen und Bürgers zu erfüllen. — Bei diesen Worten
ging ein dumpfes Murmeln durch die Versammlung. Viele lachten;
einige husteten; andre ließen etwas von schändlicher Heuchelei
fallen. Der Lesende mußte einige Augenblicke innehalten, bis
sich das Getöse gelegt hatte. Dann hieß es weiter: er habe hierbei
jahrelang den gewöhnlichen Weg verfolgt und so wie andre Almosen
gegeben usw. Bald aber sei er zu der Einsicht gelangt, daß auf
diese Weise bei dem besten Willen wenig Gutes geschafft, vielmehr
in den meisten Fällen die Trägheit genährt und der Weg zur Besse-
rung versperrt würde; da habe er den Entschluß gefaßt seine Habe,
statt sie unnützerweise in einzelnen Handlungen der Wohltätigkeit
zu vergeuden, zu einem allgemein nützlichen Zweck zu verwenden.
Was die Stadt am meisten bedürfe, wisse jedermann; auch daß
es an Mitteln fehle dem Bedürfnisse abzuhelfen und man sich
also wohl noch ein Jahrhundert lang ahne Frucht und Nutzen be-
klagen würde, wenn man nicht durch einen herzhaften Entschluß
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Geschlecht (WdK): Jungen
72 42. Pünktlichkeit.
wenn er ihnen auf der Straße begegnete, ihm aus dem Wege gehen
mußten.
Alexander der Große, um welchen die reichsten Glücksgüter sich
vereinigten ihn stolz zu machen, wußte dennoch im Angesichte des
Alters sich zu demütigen. Als ihn einst auf seiner Siegesbahn Frost
und Schnee aufhielten, ließ er ein Feuer anzünden und setzte sich
auf [einen königlichen Sessel um sich zu wärmen. Da erblickte er
unter seinen Kriegern einen vom Alter niedergebeugten Mann,
der vor Külte zitterte. Sogleich sprang er zu ihm hin, nahm den
Greis bei der Hand und setzte ihn auf seinen eigenen Stuhl.
„Es gibt keinen bösen Menschen," sagt der italienische Jugend-
schriftsteller Parini, „wenn es nicht ein solcher ist, der gegen das
Alter und das Unglück unehrerbietig ist." Eines Tages zürnte er
einem Jünglinge, den man wegen eines schweren Vergehens bei
ihm angeklagt hatte. Zufällig begegnete er dem jungen Mann
auf der Straße, als derselbe gerade einen alten Mönch führte und
um Hilfe gegen einige Buben rief, die diesen wegen seiner Ge-
brechlichkeit verspotteten und verfolgten. Parini eilte auf den
Jüngling zu, nahm ihn in seine Arme und sprach: „Vor einem
Augenblicke noch hielt ich dich für verderbt, jetzt aber, da ich Zeuge
deiner Achtung für das Alter bin, glaube ich wieder, daß du zu
vielen Tugenden fähig sein wirst."
Die Ehrfurcht vor dem Alter birgt tiefe sittliche Schönheit in
sich; selbst diejenigen, welche sie unterlassen haben, sind gezwungen
andern, von denen sie geübt wird, den vollsten Beifall zu spenden.
Ein Greis aus Athen suchte bei den olympischen Spielen einen
Platz, aber alle Reihen waren besetzt. Nachdem er bei seinen Lands-
leuten von einem Orte zum andern geschoben und von vielen noch
gar ausgelacht worden war, kam er an die Reihen, in denen die
Spartaner saßen. Diese, ihren vaterländischen Sitten getreu,
standen sogleich auf und ließen ihn zwischen sich Platz nehmen.
Da brachen die Athener in ein lautes Beifallsgeschrei aus und
der Greis sagte: „Die Athener wissen, was sich schickt, aber die
Spartaner führen es aus."
Nicht minder wie dem Alter sind wir auch den Vorfahren
und ihren Einrichtungen Ehrfurcht und Schonung schuldig.
Silvio Pelliko.
42. Pünktlichkeit.
Nur durch eine richtige Würdigung des Wertes der Zeit wird
man gewohnheitsmäßig pünktlich. Pünktlichkeit ist die Pflicht jedes
anständigen Mannes und die Zwangspflicht des Geschäftsmannes.
Durch uichts wird das Vertrauen rascher erweckt als durch die Aus-
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Parini Silvio_Pelliko
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Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
76
45. Neid.
Freilich besteht die Höflichkeit des Herzens nicht in den Künsten
des Tanzmeisters. Ein gefälliger Knix, eine elegante Verbeugung,
zusammen mit den landesüblichen leeren Worten der Ergebenheit,
sind nicht die wichtigsten Bestandteile der guten Manieren. Wahre
Höflichkeit läßt sich nicht durch äußere Dressur übertragen, sondern
sie entspringt einem lauteren Charakter und echter Herzensbildung.
Die setzt wohlwollende Rücksicht gegen den Nächsten, gepaart mit
hohem Bewußtsein von dem Werte der eigenen Persönlichkeit,
voraus. Ihr praktisches Gesetz ist ganz treffend vom Grafen von
Chesterfield formuliert worden, indem er an seinen Sohn schreibt:
„Handle so, wie du behandelt sein willst, das ist die sicherste Kunst
zu gefallen, die ich kenne. Beobachte sorgfältig, was dir an andern
gefällt, vielleicht werden die nämlichen Dinge an dir jenen gefallen."
Auf dieser Grundlage der Gegenseitigkeit beruhen, wie alles
menschliche Recht und alle Gesittung, auch die Formen der Höflich
keit im Verkehr mit unseren Nächsten und diese Tugend wird uns
daher ebensowohl durch unser eigenes Interesse wie durch die
höheren Pflichten der Nächstenliebe empfohlen. Durch höfliche
Rücksicht auf fremdes Wohlergehen und Glück wird sich ein Mann
von Herz und Verstand unter jedem Himmelsstrich sehr bald Freunde
gewinnen; wahre Höflichkeit ist eine Sprache, welche in der ganzen
Welt gesprochen und in den Palästen der Fürsten wie in den Hütten
der Armen, an den Lagerfeuern der Wilden wie in den Salons
verstanden wird. P.b.
45. Neid.
Hermanns Suppenteller ist bis oben gefüllt, während Fritz
nur einen halben bekommt und obendrein bloß einen Kloß, während
bei Hermann drei Stück wie Inseln aus dem tiefen Wasser hervor-
ragen. Da kriecht bei Fritz der blaße Neid den Rücken herauf und
ihm ist, als könnte er seinen Bruder gar nicht mehr leiden. Wenn
er nun gar allmählich entdeckt, daß die Mutter eine besondere
Schwäche für Hermann hat, vielleicht weil er ihre Sorge besonders
nötig hat, dann richtet sich der Neid häuslich ein bei Fritz. Und
nun hat er nicht nur weniger Leckerbissen als sein Bruder sondern
auch noch ein Gift in seinem Innern, das ihm überhaupt alles
Essen vergällt. Er beginnt schon ordentlich zu schielen, weil seine
Augen immer nach dem Teller des Bruders gedreht sind. Nach-
dem er nun gar neulich herausbekommen hat, daß Hermanns Stiefel
auch aus feinerem Leder sind als die seinigen, da muß er nun mit
einem Auge auf die Stiefel hinunter und mit dem andern auf den
Suppenteller schielen, sein Ärger rutscht abwechselnd vom Teller
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Personennamen: Fritz Hermann Fritz Hermann Fritz
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
80
47. Von der kaufmännischen Ehre.
erleiden muß, ist das Geringere; aber er verfällt auch der all-
gemeinen Verachtung, er verliert Ehre und Ehrenrechte und muß
wie ein Geächteter unter redlichen Leuten wandeln.
Drum sei bei der Eidesleistung strengste Gewissenhaftigkeit
heilige Pflicht. Nur das beschwöre ein jeder, was er gewiß und
sicher weiß! Nur das gelobe er, was er ausführen kann und nach
Recht und Sitte ausführen darf! Mag Reichtum und Vorteil auf
dem Spiele stehen, die Wahrheit steht am höchsten.
Dies edle Gut wahre dir, Jüngling, so gut du es vermagst!
Wer immer gleich mit Versicherungen bei der Hand ist, wie „auf
Ehre! auf Ehr' und Seligkeit!" der wird's bald dahin bringen,
daß man nicht viel auf seine Glaubwürdigkeit hält; denn so hohe
Besitztümer verpfändet man nicht leichthin; das hieße ein frevles
Spiel damit treiben. Du hast es in deiner Hand, daß dein bloßes
Ja und Nein vollwichtig geachtet wird wie edles Metall.
So schnell, oft um nichtiger Dinge willen, ist ein Eideswort
gesprochen und doch umfaßt es Zeit und. Ewigkeit. Heilig sei dir
der Eid um der Wahrheit, um deines himmlischen und irdischen
Wohles willen! Nägelsbach.
47. Von der Kaufmännischen Ehre.
In einer großen Gemeinde, wo die Geschäfte verwickelt und
ausgedehnt sind, wo das Interesse mächtig ist, muß für das Gesetz
und für die Rechtschaffenheit ein höherer Gerichtshof sein. Diese
erhabene Stelle vertritt das Gericht der Ehre. Seine Beschlüsse
sind in keinem Buche aufgezeichnet, noch ist sein Verfahren durch
Regeln und Formeln bestimmt. Sein Sitz ist in der Brust ehren-
hafter Männer und seine Macht offenbart sich in den unendlich
verschiedenen Handlungen, die keinen Zeugen haben, und in dem
ausgedehnten Vertrauen des geschäftlichen Verkehrs. Ohne Ehre
müßte der Handel bei jedem Schritte innehalten um Schreibzeug
hervorzuholen; Argwohn und Mißtrauen würden wie eine schwere
Rüstung den Gang jedes Unternehmens aufhalten und lähmen.
„Man sollte stolz sein auf sein Geschlecht," sagt ein berühmter eng-
lischer Schriftsteller, „wenn mal: sieht, welches Vertrauen auf
einen Kaufmann von seinem entfernten Geschäftsfreund gesetzt
wird, der ohne andre Sicherheit als dessen Ehre ihm den Reichtum
einer ganzen Flottille anvertraut und sanft und ruhig schläft, weil
er das feste Vertrauen hat, daß er sicher ist." Es ist wirklich ein
erhebender Gedanke in der Verdorbenheit der Welt, ein Lichtblick
in ihrer Finsternis, daß wir einen Menschen dem andern, obgleich
beide durch Meer und Länder voneinander getrennt sind, un-
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
35. Freundschaft.
63
Ein Ende nahm das leichte Spiel,
Es naht der Ernst des Lebens;
Behalt' im Auge fest dein Ziel,
Geh' keinen Schritt vergebens!
Gerader Weg, gerades Wort,
So will's dem Mann gebühren;
Wer Ehre sich erwählt zum Hort,
Den kann kein Schalk verführen.
Nimm auf die Schultern Last und Müh'
Mit frohem Gottvertrauen
Und lerne, wirkend spät und früh,
Den eignen Herd dir bauen!
Halt' hoch das Haupt, was dir auch droht,
Und werde nie zum Knechte;
Brich mit dem Armen gern dein Brot
Und wahre seine Rechte!
Treib' nicht mit heil'gen Dingen Spott
Und ehre fremden Glauben
Und laß dir deinen Herrn und Gott
Von keinem Zweifler rauben!
Und nun, ein letzter Druck der Hand
Und eine letzte Bitte:
Halt' dich getreu im fremden Land
Zu deines Volkes Sitte!
I. Sturm.
35. Freundschaft.
Ein Freund, der mir den Spiegel zeiget,
Den kleinsten Flecken nicht verschweiget,
Mich freundlich warnt, mich herzlich schilt,
Wenn ich nicht meine Pflicht erfüllt:
Der ist mein Freund,
So wenig er's auch scheint.
Doch wenn mich einer schmeichelnd preiset,
Mich immer lobt, mir nichts verweiset,
Zu Fehlern gar die Hände beut
Und mir vergibt, eh' ich bereut:
Der ist mein Feind,
So freundlich er auch scheint.
Geuert.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
92. Die Rainmüller Buben.
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Herzen, die Müllerin rastlos den langen Tag und fast zu sehr beküm-
mert um des Hauses äußere Wohlfahrt, die drei Söhne überquellend
von Jugendmut, aber auch wild und widersetzlich gegen Herkommen
und Ordnung, zügellos in allen Genüssen und Leidenschaften.
Solange des Vaters Aug' und Rechte regierten, mußten sie ge-
horsamen; denn wenn der seinen Kittel aufstülpte und rief: „Herr,
stärke meinen Arm!" da brach aller Trotz und Ungestüm.
An einem Festtagabend wankte der Müller wie ein Kranker nach
Hause. „Mutter," stöhnte er, indem er sich schwer auf die Bank
fallen ließ, „alles war umsonst, was wir getan haben für Leib und
Seele unserer Kinder. Ich hab' sie heut wieder stundenlang beob-
achtet im Wirtshause; meine Buben sind Säufer! Die Rainmühle,
unser liebes Heim, wird daran verderben und sie werden elend
sterben. Ich sehe es, ich weiß es!" Den Kopf legte er auf die Arme
und hob ihn nicht wieder; ein Schlag hatte seinem Leben ein jähes
Ziel gesetzt.
Nun das zürnende Auge des Mahners nicht mehr leuchtete,
ging's bald aus eiuer andern Tonart in der Rainmühle. Die bekam
vor allem die Müllerin zu verspüren. Sie mußte büßen, was sie
in unvernünftiger, blinder Liebe an ihren Söhnen gesündigt hatte.
Wie oft hatte sie im geheimen die Anordnungen des Vaters zu um-
gehen oder zu vereiteln gewußt! Wie viele Auswüchse hatte sie
beschönigt, verschwiegen! Wie sehr hatte sie dem übermütigen
und zügellosen Treiben ihrer Buben Vorschub geleistet! Und jetzt
statt Liebe offener Hohn, statt Dank Kränkungen ohne Zahl! Frei
waren jetzt die Rainmüller Söhne; das empfand auch bald die
Gemeinde, die ganze Gegend. Kein Sonntag verging, ohne daß
sie nicht sinnlos betrunken in blutige Händel und Schlägereien ver-
wickelt wurden. Das Geld wurde für Bier und Wein und Spiel
auch an Wochentagen geradezu zum Fenster hinausgeworfen. An
edlen Seelen, die es aufzuheben verstanden, fehlte es nicht. Je
toller die Burschen mit den ehrlichen Spargroschen ihrer Eltern um-
sprangen, desto stiller und leerer ging die Mühle; die Arbeit blieb aus,
dafür schauten Einschränkung und Entbehrung zum Fenster herein.
Wohl hörten jetzt die „noblen Passionen" von selber auf, die un-
sinnigen Gastereien, das Hazardieren, das wahnwitzige Wetten, das
Rennenreiten; sogar das Jagen und Fischen mußten die lockeren
Vögel lassen, da Acker um Acker, Wiesgrund und Waldteil verpfändet
und verkauft waren. Nun wurde die Ahnung des Vaters mit er-
schreckender Schnelle volle Wirklichkeit. Die Rainmüller Buben
begannen, jedes sittlichen Haltes bar, „ihr Elend zu vertrinken".
Der Alkohol, dieser grause Würgengel, der vor allem der Schnaps-
flasche entsteigt, machte rasche Arbeit mit den entnervten Jünglingen.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]